Fußball in Muttensweiler

Wann in Muttensweiler erstmals ein Fußball oder fußballähnliches Gebilde getreten wurde, läßt sich nicht mehr genau feststellen. Es wird so um die Mitte der 20er Jahre gewesen sein. Turnen und Schwimmen waren schon früher bekannt, zumindest den aus dem ersten Weltkrieg heimgekehrte Soldaten. Die Anregung für die neue Sportart erhielten die Muttensweiler sicherlich aus Biberach und Schussenried, wo schon einige Jahre Fußballvereine bestanden. Während in den Städten sich rasch d Anhänger des Fußballsports fanden
, stand man auf dem flachen Land dieser Betätigung ablehnend gegenüber. in der Ablehnung waren sich mit Sicherheit die Elternschaft, die Schule und vielleicht auch andere Vereine, die eine Konkurrenz fürchteten, einig. Trotzdem war die Entwicklung nicht aufzuhalten. Ein treuer Sportplatzbesucher, Landwirtschaftsmeister Anton Sproll, erinnert sich an die ersten Trainings- und Wettspiele, die um die Jahre 1925 oder 1926 ausgetragen wurden und an denen er selbst teilnahm. Gespielt wurde auf einem sogenannten Grasschlag links des Federbachs, etwa 200 Meter westlich vom Ortsrand. Spiel und Training waren auf diesem Gelände aber nur möglich, wenn der Grasschlag im gesamten abgemäht war, was zum Leidwesen der "Kicker" nicht oft der Fall war. Gelegentlich wurde in die Gemeindekiesgrube am nord-östlichen  Ortsende ausgewichen; dort befindet sich der Sportplatz heute noch. Da die Kiesgrube aber dem Reit- und Fahrverein als Übungsplatz vorbehalten war kam es nicht selten zu Meinungsverschiedenheiten über die Ben
utzungsberechtigung. Al schließlich noch ein Ortsbewohner für sich das Recht in Anspruch nahm, in der Kiesgrube Kartoffeln anzubauen, war die Verwirrung über das Nutzungsrecht vollständig. Sieger blieben schließlich die Fußballer. Wurde in den Anfangszeiten nur gelegentlich ein Wettspiel ausgetragen, so setzte zu Beginn der 30er Jahre ein regelrechter Spieltrieb ein. Zu einer Vereinsgründung kam es zu dieser Zeit allerdings noch nicht. Der Spielbetrieb wurde durch die damalige Arbeitslosigkeit begünstigt. Er mußte wieder eingestellt werden, als die Hauptakteure ab dem Jahre 1933 wieder Beschäftigung fanden und vielfach wegzogen. Die Hauptstützen der damaligen Muttensweiler Fußballmannschaft, die einen regelmäßigen Spielbetrieb unterhielten, waren Josef Gaupp, Josef Gnannt, August und Karl Winter, Josef Frick, Robert Maurer, Karl Sauter, alle aus Muttensweiler und Anton Schmidberger aus Steinhausen. Gelegentlich wurde die Mannschaft mit auswärtigen Spielern ergänzt und verstärkt (Franz Harsch und die Gebrüder Kneer, Unteressendorf). Dem Fußballspiel huldigten weiter Josef Merk, Willi Steinhauser, Josef Winter, Konrad Sauter, Klar Link und andere, deren Namen nicht mehr so bekannt sind, weil sie entweder wenig in Erscheinung traten oder nur kurze Zeit in Muttensweiler ansäßig waren.

Es war bestimmt nicht leicht, sich ohne Rückhalt eines Vereins, sozusagen als Einzelkämpfer, gegen alle Wiederstände durchzusetzen. Die Wiederstände kamen aber nicht nur von außen. Auch der Spielbetrieb selbst bereitete den Akteuren so manche Schwierigkeiten. Die Beschaffung von Fußbällen scheiterte an konstanter finanzieller Flaute bei den Spielern und bei der Mannschaft. Der nur für Wettspiele reservierte und sicherlich einzig heile Ball wurde wohl gehütet. Trainiert wurde mit "Ersatzbällen", die mit allen möglichen Mitteln hergestellt wurden. Dem erfinderischen Geist waren dabei keine Grenzen gesetzt. Auch Schweinsblasen waren begehrte Objekte. Als Torstangen verwendete man anfangs Bohnenstangen und Heinzenstecken. So manche, für einen  Gemüsegarten bestimmte Bohnenstange wird sich auf dem Gasschlag wiedergefunden haben, zum Leidwesen nicht weniger Bäuerinnen. An eine einheitliche Sportkleidung war nicht zu denken. Man bemühte sich, einem Fußballer ähnlich zu sehen und sich von einem "Zivilisten" zu unterscheiden, nach dem Motto: Der Zweck heiligt die Mittel. Genau so stand es mit dem Schuhzeug. Sonntagsschuhe, derbe Straßenschuhe, Schnürstiefel und genagelte Arbeitsschuhe und nicht selten der nackte Fuß mußten zum Balltreten in der Anfangszeit herhalten. Wieviele verstauchte Zehen und bunt angelaufene Schienbeine wird es dabei wohl gegeben haben; sowas soll überigens heute noch verkommen. Allen diesen Wiederwärtigkeiten zum Trotz bildete sich eine echte Sportgemeinschaft, deren ungeschriebenes und doch oberstes Gebot die Treue zur Mannschaft , zur gemeinsamen Sache und zu sich selbst war. In jeder Hinsicht ein schönes Lobenswertes und jederzeit nachahmenswerte Tugendbild.

Den Pionierdiensten dieser Männer ist es allein zu verdanken, daß der Fußballsport in Muttensweiler heimisch wurde und blieb. Sie trugen Fußballidee hinein in den Ort und vor allem in die Köpfe der Jugend, die recht bald in den Bann des runden Leders gezogen wurde. Eine organisierte Jugendarbeit auf breiter Basis gab es damals jedoch nicht. Die jungen Fußballanhänger waren sich selbst überlassen. Sie üben sich vor Scheunentoren, in Obstgärten und in den Unterrichtspausen zwischen Schulhaus und Kirchhofmauer zu Steinhausen mit Kinderspielbällen, Gummifußbällen und runden Stoffklumpen.

Die Buben waren vor der "Kickerei" begeistert. Begeisterung kann aber nur erhalten werden, wenn sie immer durch neue Impulse genährt wird. Diese blieben aus, als die Mannschaft der Aktiven aufgelöst wurde. Vielleicht wäre zu dieser Zeit, es waren die Jahre 1933/34, die Fußballidee in Muttensweiler ganz gestorben, wenn sich nicht Oberlehrer Stefan Reeg um den Sport im allgemeinen, im besonderen aber um den Fußball bei seinen Schülern angenommen hätte. Ihm fällt ein Wesentlicher Verdienst um die Erhaltung der Fußballbegeisterung in Muttensweiler zu, wofür ihm an dieser Stelle gedankt sei. Man erinnert sich gern an die letzte Stunde des Vormittagsunterrichts, wenn der Lehrer das Signal zum Aufbruch auf den Muttensweiler Sportplatz gab. Nicht nur die Fußballknaben, auch die im Ort verbliebenen ältern Spieler konnten es kaum erwarten, bis Stefan Reeg mit seinem "roten Fuchsen", spricht Opel P 4, beim Sportplatz eintraf und den Ball zur allgemeinen Kanonade auf das obere Tor freigab. In dieser Zeit, es waren die Jahre 1934 bis 1937, wurden durch Reeg die Spieler herangebildet, die der Nachkriegsmannschaft das Gerippe gaben, die Saat, der er damals ausstreute, ging schon bald auf. Kurz vor dem zweiten Weltkrieg und noch in den ersten Kriegsjahre spielten Franz Fritzenschaf und der Verfasser in den Schülermannschaften des Schussenrieder und Biberacher Gymnasiums. Zusammen mit Freunden aus anderen Orten. ( Biberach, Mittelbiberach, Oggelshausen,) wurden Mannschaften gebildet und Wettspiele mit den noch erreichbaren Mannschaften in der Umgebung ausgetragen. Der Verfasser spielte wiederholt in der Jugendmannschaft der TG Biberach und in der Jugendauswahlmannschaft der Kreises Biberach. Gefördert wurde der Sport und das Fußballspiel auch durch die damalige Jugendorganisation.

Die jungen Leute, die unter Reeg das Fußballspielen gelernt hatten, kamen fast alle mit heiler Haut aus dem Krieg zurück. In Sachen Fußball tat sich aber in den ersten Nachkriegsmonaten so gut wie gar nichts. Der Verfasser spielte zunächst einige Zeit in Biberach bei der dortigen Spielvereinigung und später beim FV Schussenried. An die Bildung einer Mannschaft oder an die Gründung eines Vereins dachte in Muttensweiler zunächst niemand. Solchen Zusammenschlüssen begegnete die französische Besatzungsmacht ohnehin mit großem Misstrauen und wurden in der ersten Zeit fast regelmäßig verboten. Mit der Zeit trieb es die Heimkehrer und die heranwachsende Jugend aber doch wieder zum Sportplatz. Vergangene schwere Zeiten, die schwierigen Nachkriegsverhältnisse und nicht zuletzt auch der absolute Mangel an mechanischen Fortbewegungsmitteln förderten das Gefühl für eine Gemeinschaft. So auch unter den Fußballanhängern. Als ihre Zahl immer größer wurde, reifte schließlich der Gedanke für die Zusammenstellung einer Mannschaft, für die Beteiligung am Spielverkehr und auch für eine Vereinsgründung heran. Die Vereinsgründung musste auch deshalb ernsthaft in Erwägung gezogen werden, weil die nach den Bestimmungen der französischen Militärregierung Voraussetzung für die Teilnahme einer Mannschaft am Spielbetrieb war. Ansonsten hätte für jedes Spiel eine Sondergenehmigung eingeholt werden müssen; bei dem Mistrauen der Besatzungsmacht gegen Zusammenschlüsse häufig ein recht umständliches Verfahren. Nicht explosionsartig, sondern bedächtig wie es sich für einen guten Schwaben geziemt, ruhig überlegend und alles für und wider gut gegeneinander abwägend, wurde die Fußballsache in Angriff genommen. Nicht nur die Fußballer selbst, auch Außenstehende gaben eine Anregung zur Vereinsgründung. Altadlerwirt Josef Heinzelmann meinte einmal in seiner bekannt offenen Art, es wäre besser, wenn die jungen Leute in einem Verein zum Fußballspielen zusammengefasst würden, als dass sie die Nächte durchtanzen oder mit Mädchen im Wald spazieren gehen; das alles sei nach einem verlorenen Krieg nicht angebracht. Dazu die Bemerkung, dass dich daran auch nach der Vereinsgründung nicht viel änderte.