Gründung des Sportvereins in Muttensweiler
Mit bewundernswerter Ausdauer und zäher Energie setzte sich Ende 1946 Anfang
1947 Bürgermeister Hans Müller für die Belange des Fußballsports und für eine
Vereinsgründung ein. Ihm zur Seite Standen noch vier weitere Fußballanhänger. In
vielfacher Ausfertigung mußten die Genehmigunsanträge für die Vereinsgründung
bei den zuständigen Behörden eingereicht werden; bei der Militäregierung
außerdem noch in französischer Sprache. Die Übersetzungsarbeiten übernahm in
denkswerter Weise Rektor a. D. Gegier in Ingoldingen. Auch die politische
Unbedenklichkeit der Initiatoren mußte nachgewiesen werden. Das brachte einige
Schwierigkeiten mit sich. Ein Teil der Gründungsmitglieder hatte sich nach
Auffassung der Besatzungsmach im "1000-jährigen Reich" eine falsche politische
Meinung zugelegt, andere waren nicht tragbar, weil sie in der "Großdeutschen
Wehrmacht" Offizier waren. So blieb kein anderer Ausweg, als der Besatzungsmacht
andere Personen mit blütenreiner Weste als Gründungsmitglieder zu
unterschreiben. Die richten Gründungsmitglieder waren Hans Müller, Paul Sauter,
Franz Fritzen-schaf, Hans Perwas und Hans Miehle. Nach Beseitigung solcher und
anderer Schwierigkeiten konnte dann im Frühjahr 1947 die Gründungversammlung in
das Gasthaus zum "Adler" in Muttensweiler einberufen werden. Die
Versammlung wählte zum ersten Vereinsvorstand Hans Müller als 1. Vorsitzenden
(er hatte die Versammlung einberufen und geleitet), Paul Sauter zu seinem
Vertreter, Hans Perwas als Kassier und Hans Miehle. Über 20 Jahre leitete allein
Hans Müller, der "spiritus rektor" des Vereins, die Geschicke der Fußballer in
Muttensweiler. Danach bekleidete Gustav Engel aus Ingoldingen das sorgenreiche
Amt eines ersten Vorsitzenden.
Wenn dem Verein in der Gemeindekiesgrube auch gleich ein bespielbarer Platz zur
Verfügung stand, so war der Anfang doch recht . Zur Beschaffung von
Spielkleidung und Bällen wäre in der damaligen inflationistischen Zeit zwar Geld
zur Verfügung gewesen. Für Geld war aber nichts zu bekommen. Lebensmittel waren
das alleinige und sehr begehrte Zahlungsmittel. Die Bettelaktionen des Vereins
sind noch gut in Erinnerung. Pfundweise mußte Mehl, stückweise Eier
zusammen-getragen werden. Mit einem Zentner Mehl und 50 Eiern auf dem Fahrrad
zog eines Tags im Januar 1947 in den Abendstunden bei 20 cm Schnee und strenger
Kälte Richtung Bahnhof Schussenried los, um mit der Bahn Au am Rhein (bei
Raststatt) zur erreichen. Dort war über Sportkamerad Josef Weßbecher eine
Tauschstation für Fußballschuhe und Fußbälle ausfindig gemacht worden. Großzügig
war der Tauschpartner gerade nicht. Es war also notwendig, weitere Bette- und
Tauschaktionen durchzuführen. Hemden beim SV Schwenningen ebenfalls gegen
Lebensmittel eingetauscht. Es war recht mühsam, bis zehn gleichfarbige Hemden
und elf Paar Fußballstiefel zusammengefochten waren. Sporthosen mußten
angesichts der besonderen Verhältnisse in beliebiger Farbe zugelassen werden.
Zehn Spieler hatten also gleichfarbige Hemden, nur Josef Weßbecher konnte sich
von seinem grün-rot gestreiften Trikot nicht trennen. Er wurde als "Zebra" auf
den Spielfeldern bekannt und berüchtigt.
Zu Auswärtsspielen standen geeignete Verkehrsmittel nicht zur Verfügung.
Vorhandene Fahrräder mußten für berufsnotwendige Fahrten geschon werden, weil
Fahrraddecken nur auf Bezugs-scheine erhältlich waren. So machte man sich
meistens mit Traktor und Anhänger auf den Weg zu Auswärtsspielen. Das Fahrzeug
wurde vom Vereinsgastwirt Josef Heinzelmann zur Verfügung gestellt. Mit den
Abfahrtszeiten nahm es Josef Heinzelmann immer ganz genau. Dazu eine kleine
Episode. Als nach einem Spiel in Ringschnait nicht alle Fußballer rechtzeitig
zur Stelle waren (sie saßen beim Obstsaft in einem Bauernhaus), fuhr er
unbekümmert ab. Die Nachzügler, mit brummigen Köpfen, machten zuerst lange
Gesichter und sich dann zu Fuß auf den 15 Kilometer langen Weg nach
Muttensweiler. Bald stelle sich quälender Hunger ein. Nach Manier der
Tippelbrüder ging man in Schweinhausen fechten. Die Ausbeute war ein Laib Brot
und eine Stange Limburger Käse. Das wurde zusammen mit einem Krug Most am
Straßenrand verzehrt. Gestärkt zog man weiter, besuchte so im Vorbeigehen noch
eine Tanzveranstaltung und erreichte wohlbehalten aber hundmüde gegen
Mitternacht heimatliche Gefilde. Ab Mitte 1948 benutzte man als Transportmittel
den "Holzvergaser" von Niclaszewsky aus Ingoldingen. Neben dem baren Fahrpreis
verlangte der Fuhrunternehmer von jeder Person regelmäßig noch ein Ei. Nach der
Währungsreform steig man auf Fahrräder und Motorräder über. Später wurde
vornehmer gereist, Busse wurden gemietet oder man fuhr in einen PKW; eine
wirtschaftswunderlige Folgeerscheinung.